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Die Kultur der Khmer

Angkor und die Hochkultur der Khmer

 

Die Hochkultur der Khmer entstand, wie viele der nicht-europäischen hochentwickelten Zivilisationen, aus einer reisanbauenden Gesellschaft. Im Delta des Mekong begannen die Regenten der Khmer im 9. Jahrhundert mit dem Bau der berühmten Tempelanlagen.


In der tropischen Flussebene gibt es einmal im Jahr eine Regenzeit, für den Reisanbau ist aber eine zweimalige jährliche Bewässerung vonnöten. Diese zweite Bewässerung wurde durch die Wasserbauspezialisten der Khmer bewerkstelligt. Früh entstand hier eine hochentwickelte Wasserbautechnik, deren Handhabung sorgfältiger Planung und Entwicklung bedurfte. Es gab ein kompliziertes Bewässerungssystem ebenso wie Irrigationskanäle und Speicherseen, die ungewünschte Überflutungen verhinderten. Günstiger Nebeneffekt des auch für Frachtkähne befahrbaren Kanalsystems war eine erhöhte Mobilität.

Die Khmer profitierten nicht nur von Verkehr und Handel aus dem indisch-asiatischen Norden, sondern auch von der Seefahrt durch den Golf von Thailand.

 


Die Angkor-Periode

Zur Blütezeit der Khmerkultur, der nach der Tempelstadt Angkor benannten Angkor- Periode, entstand der Tempelkomplex Angkor Wat (=Pagode; Tempel) in der Ebene zwischen den Großen Seen (Tonle Sap) und dem Phnom (=Berg) Kulen. Die Hochkultur der Khmer zeigte im sandsteinernen Sakralbau ihre ganze technische Versiertheit und künstlerische Perfektion.

Der König, der die Tempelanlage Angkor Wat in 37jähriger Bauzeit bauen ließ, war Suryarvarman l. Seine Regierungszeit dauerte von 1113 bis 1150 n. Chr. Angkor ist abgeleitet von dem sanskritischen Begriff Nagara und bedeutet Stadt, Hauptstadt oder Königliche Stadt. Angkor steht auch für die Blüteperiode der Khmer-Hochkultur zwischen 800 und 1431 (Inthronisierung von Jayavarman ll bis Einfall der Siamesen in Angkor ). Kunstgeschichtlich ist der Stil von Angkor in der Periode 875 bis 1175 angesiedelt.

An der Spitze der bäuerlichen Gesellschaft der Khmer stand der König. In der Angkor-Periode gaben sich die Könige einen Götter-Status. Dabei nahmen sie im Verlauf ihrer Regierungszeit sukzessiv mehrere göttliche Identitäten an.

Die südostasiatische Gesellschaft, beziehungsweise die Elite der Khmer war stark von den aus dem Norden mitgebrachten hinduistischen Traditionen geprägt, hatte diese jedoch auf ihre eigene Art umgedeutet. Das hinduistische Kastenwesen wurde zwar nicht übernommen, aber in der strengen gesellschaftlichen Hierarchie waren Architekten und Planer eine unbedeutende Berufsgruppe. Deshalb sind die Namen der Architekten von Angkor Wat nicht bekannt.

 

 

Angkor Wat

Der Blick auf den Angkor Wat, der sich mit seiner für uns fremdartig wirkenden Formgebung geheimnisvoll aus dem Dschungel erhebt, hat sich als exotisches Bild tief in das Auge des Europäers eingeprägt.

Angkor Wat war als Sakralbau dem Gott Vishnu und dem Gottkönig Jayavarman ll gewidmet. Wenn auch über die Gesellschaft der angkorianischen Periode einiges bekannt ist, so bleibt doch vieles im Dunkeln, und das religiöse Leben im Tempel ist noch unerforscht. Fest steht, dass dieses zu den bedeutendsten Bauwerken der Menschheit gehörende Monument meisterhaft geplant wurde. Neben Tausenden von Arbeitern und unzähligen Steinmetzen ist der Bau ein Werk versierter Architekten, die die umgebende Landschaft in die Planung mit einbezogen und nach Bedarf veränderten, beispielsweise durch künstliche Aufschüttungen mit Laterit.

Selbst die so geheimnisvoll anmutenden, die Phantasie stimulierenden Ausblicke von den umliegenden Erhöhungen auf den Tempelberg des Ankor Wat sind als Effekt auf die Wahrnehmung des Betrachters sorgfältig von den Erbauern geplant.

Innerhalb der Anlage ist jede Treppenreihe und vor allem die Position der fünf Türme so ausgerichtet, dass der Betrachter einen möglichst eindrucksvollen Blick auf die Anlage bekommt. Ein Beispiel: Die Maße der Treppenstufen steigen fortlaufend in der Höhe an, um der optischen Verkürzung im Auge des untenstehenden Betrachters entgegenzuwirken.

 


Die Tempelanlage als Spiegelung der hinduistischen Kosmologie

In seiner Funktion als Sakralbau einer brahmanischen höfischen Elite ist der Angkor Wat konform der Tradition Spiegel des Kosmos´. Die hinduistische Mythologie ist maßgeblich. So ist auch die sandsteinerne Tempelanlage Ankor Wat gebaut als Spiegelung dieses Weltbildes: Die Welt ist ein Viereck, umgeben von Gebirgsketten. Weit außerhalb befinden sich unendlich weite mythische Ozeane, und auf dem Berg Neru in der Mitte thronen die Götter. Der Tempel im Mittelpunkt mit seinen fünf Türmen symbolisiert den mythischen Göttersitz.

Ein Bruch mit der üblichen Art des Tempelbaus ist die Öffnung des Baus nach Westen. Die mit Basreliefen geschmückten Mauern dienten als Prozessionsweg. Die Tempelanlage ist in klaren Formen gebaut, wobei das Viereck die vorherrschende Form ist. Der zentrale Tempelturm bildet mit vier weiteren Türmen die Mitte des Tempels. Umgeben ist die Anlage mit den Ausmaßen von 1,3 x 1, 5 km von einem künstlichen Teich.

Die Steinmetzarbeiten bilden Geschichten aus der hinduistischen Epik ab, erfolgreiche Schlachten des Suryarvarman ll, und Abbildungen aus der Hindu-Mythologie, z. B. vom Quirlen des Milchozeans (Samudramathana). Auf einigen Mauern des Tempels finden sich Motivreihen, die den Abbildungen und Verzierungen europäischer Kathedralen ähneln. Hier handelt es sich nur um einen kleinen Ausschnitt aus der vielfältigen Motivgebung. Thema sind hier die hinduistischen Höllenvorstellungen. Die Abbildungen der leidenden Sünder sind so düster - fantasievoll wie die der europäischen mittelalterlichen Abbildungen der Qualen im Fegefeuer.
Bei der Gestaltung der unzähligen meisterlichen Reliefs aus der hinduistischen Mythologie, namentlich den Epen Mahabharata und Ramayana, hebt sich die Hauptfigur durch ihre Größe von den Nebengestalten ab. Für das Auge des Betrachters, der sich in die meisterlich ausgearbeiteten Reliefs vertieft, ist die optische Vergrößerung der Helden eine Orientierungshilfe. Gut und Böse sind schon durch die Gestaltung einfach erkennbar. Die Ikonographie der Tempelfriese und Reliefs war nach strengen Regeln gestaltet, in denen Verständlichkeit die Grundregel war. Der Tempelgänger sollte genau erkennen, was abgebildet war.



Weitere Tempelanlagen

In der Ebene zwischen den Tonle Sap - Gewässern und dem Phnom Kulen findet sich eine verwirrende Vielzahl von Tempelanlagen unterschiedlichen Alters.
Die ursprünglichen Namen der einzelnen Bauwerke der riesigen Tempelanlagen sind unbekannt. Die ältesten Tempel sind die von Roluos. Sie entstanden in der angkorianischen Periode der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts n.Chr.

Der Bakong-Tempel, auf einem künstlich aufgeschütteten Lateritberg errichtet, gehört zu den ältesten Tempeln der Khmer. Auch die Tempelpyramide von Bakong ist getreu dem Konzept der baulichen Spiegelung der Hindu-Mythologie eine Nachbildung des Berges Meru, der den Mittelpunkt des Universums bildet und auf dem die dreiunddreißig Götter thronen. Die Türme am Fuß der Pyramide des Bakong-Tempels gehören zu den schönsten Baudenkmälern der Khmerkultur.


Jayavarman Vll: der bedeutendste Herrscher der Khmer

Auf den Mauern der von Jayavarman Vll errichteten Tempel Bayon und Bantay Chmar finden sich Basreliefs einer Seeschlacht.

In dieser Schlacht, die sich im 12. Jahrhundert abspielte, schlug König Jayavarman Vll erfolgreich die Truppen der Cham (heutiges Vietnam) und konnte so das vom Usurpator Tribhuvanaditya eingenommene Angkor als Thronfolger wieder zurückerobern. Der fromme Buddhist war der bedeutendste Herrscher der Khmer. Er ließ den durch kriegerische Auseinandersetzungen zerstörten Angkor Wat wieder aufbauen und umsäumte die königliche Hauptstadt Angkor Thom mit einer schützenden Mauer. Jayavarman Vll ließ u.a. den Bayon-Tempel bauen, den man zur post-angkorianischen Stilepoche 1177 -1230 n. Chr. zählt. Der Bayon-Tempel steht inmitten von Angkor Thom (Angkor Thom=Große Stadt), die von König Udayadityavarman ll im 11. Jahrhundert erbaut und von Jayavarman Vll erheblich erweitert wurde. Wer Angkor Thom betreten möchte, um die Riesenstraßen zu durchlaufen,  erblickt auf den zwanzig Meter hohen Eingangstoren die drei Meter hohen steingemeißelten Gesichter des Boddhisavatthas, des Gottes mit den königlichen Zügen.


Fünf Tore zählt Angkor Thom, das östliche ist das Tor der Toten.

Der rastlose Erbauer Jayavarman schuf während seiner Regierungszeit (1181-1219 n. Chr.) mehr Tempel als alle Herrscher vor ihm zusammen. Er ließ aber auch Klöster, Krankenhäuser und Pilgerherbergen errichten. Seine Lieblingsfrau Jayadevi unterrichtete in den Klöstern die buddhistische Lehre. Vom faszinierenden König Jayavarman Vll ist eine Inschrift überliefert:
Das Leid, das die Menschen befällt, wurde bei ihm, dem König, zum Leid der Seele, und dieses war umso brennender, als es der Schmerz des Volkes ist, der die Könige leidend macht und nicht der eigene Schmerz.

Jayavarman war Buddhist, ebenso wie das Volk, das sich vor den Herrschern der neuen Religion zugewandt hatte, behielt aber hinduistische Rituale und das Gottkönigtum bei. Die Zuwendung des gesamten Khmer-Volkes zum Buddhismus und die zukünftige Ablehnung des Gottkönigtums läuteten den späteren Niedergang des einst straff organisierten Reiches ein.

 

 

Angkor Wat heute

Heute ist die Anlage von Angkor Wat den Forschern - nach den Wirren und dem Elend der grausamen Periode der Rothen Khmer - wieder zugänglich. Für das kambodschanische Volk ist die Anlage, die zur Zeit des Pol Pot-Regimes als Munitionslager diente, als Ort der Rückbesinnung und Neuorientierung wieder offen. Dort, wo einst vermintes Gebiet war, bewundern jetzt Touristen die Anlage.

Viele Aspekte der Khmerkultur und der Funktionen der Tempelkomplexe sind noch unerforscht. Die Bauten, die über tausend Jahre dem Dschungelklima getrotzt haben, sind restaurationsbedürftig. Eine Gruppe von Restauratoren und Photoingenieuren der Fachhochschule Köln ist heute aktiv an der Rettung der Anlage beteiligt. Man ist sich jedoch bewusst, dass es erheblicher finanzieller Mittel, Forschung und Fachkräfte bedarf, um dieses einzigartige Erbe der Menschheit zu erhalten.



Text nach Isabell Schmidtke

http://www.arte.tv/de/angkor-und-die-hochkultur-der-khmer/41292,CmC=41330.html

Download des Textes
Historie-Angkor_Khmer-Kultur.pdf
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© Lothar Rehle / Erstveröffentlichung: 01.06.2013 /

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